Dimitrije Milovich
Jake Burton
Craig Kelly
Entwicklung des Snowboards (1970–1985)
 
Dimitrije Milovich, ein begeisterter Surfer, brachte 1970 erstmals Stahlkanten als zusätzliche Stabilisatoren an den Seiten des Bretts an. Die Technik war jedoch im Gebrauchsalltag zu jener Zeit nicht hilfreich und wurde daher bald wieder verworfen. Zwei Jahre später entwickelte Jake Burton das Prinzip der Bindung entscheidend weiter, indem er verstellbare Gummiriemen als Fußschlaufen und Antirutschflächen auf das Board montierte, um so die Standsicherheit zu erhöhen.
 
Milovich nahm 1975 in Utah die Produktion von Snowboards mit dem Namen Winterstick auf. Die Modelle waren den heutigen zwar noch fern, doch entwickelte er Boards mit patentiertem Swallowtail (Schwalbenschwanz), um eine bessere Drehfreudigkeit zu erreichen. Die Stahlkanten seiner früheren Boards verschwanden wieder. Auch Mike Olsen, der später die Firmen Gnu und Lib Tech gründen sollte, begann damit, Boards in seiner Garage herzustellen.
 
1977 produzierte Burton als erster eine Kleinserie seiner eigenen Board-Kreation, nachdem er im Vorjahr die Firma Burton Snowboards gegründet hatte. Mit 88 $ setzte er den Preis jedoch zu hoch an, so dass sein Produkt zu diesem Zeitpunkt kein kommerzieller Erfolg wurde.
 
Im selben Jahr mieteten Jake Burton und Dimitrije Milovich einen kleinen Stand auf der „Snow Sports Industry Show“ (SIA Show), die als wichtige Messe für Sportgeschäfte gilt. Ihr einziger Erfolg war es, verschiedene Vertriebe auf ihre Produkte aufmerksam zu machen, verkaufen konnten sie kein einziges ihrer Boards. Im selben Jahr entwickelte Tom Sims ein Board mit verleimten Holzschichten. Dieses Brett verkaufte sich viel besser, da es mit weniger Arbeitsaufwand gebaut werden konnte. Dadurch sank der Verkaufspreis etwa um die Hälfte, also etwa auf 40 $. Das Problem im Verkauf war vor allem, dass damals die Snowboarder in den Skigebieten und an den Liften noch nicht gern gesehene Gäste waren. So waren sie gezwungen, die Hänge hinauf zu steigen oder nachts auf den präparierten Pisten zu fahren. So waren die Snurfer bis 1985 in nur sieben Prozent aller US-amerikanischen Skigebiete willkommen.
 
Burton, Sims und Winterstick benutzten 1980 so genannte P-Tex-Beläge für ihre Snowboards und integrierten somit erstmals Technologien aus der Skiindustrie. Diese Entwicklung war den bisherigen „Snurfern“ weit voraus und ermöglichte bessere Kontrolle und neue Fahrmanöver. Auch in Europa wurden erstmals Boards produziert, doch waren jene aus den USA weiter entwickelt und wurden teuer nach Europa importiert. Dennoch bekam Winterstick noch im selben Jahr große finanzielle Probleme und musste sich aus dem Geschäft zurückziehen. Gregory Stump und Warren Miller produzieren die ersten Snowboardfilme und verschaffen dem Sport öffentliche Aufmerksamkeit.
 
Chuck Barfoot, der seit 1978 für Tom Sims verschiedene Bretter designt hatte (Skateboards, Surfboards und Snowboards), machte sich 1981 selbstständig, gründete Barfoot und experimentierte mit verschiedenen Konstruktionstechnologien. Auch fand in diesem Jahr in kleinem Rahmen der erste Wettbewerb in Leadville, Colorado statt. In späteren Zeiten waren dann die meisten Snowboards wieder mit Stahlkanten ausgerüstet.
 
Paul Graves organisierte 1982 die erste nationale Snowsurfing-Meisterschaft in Vermont, die aus Slalom und Abfahrt bestand. Erstmals traten Snowboarder aus ganz Amerika gegeneinander an, unter anderem die Rivalen Jake Burton und Tom Sims. Dieses Ereignis weckte das Interesse der Medien und Snowboarden war erstmals ein Thema landesweiter Berichterstattung. Die Konkurrenten Sims und Burton organisierten 1983 in ihren Heimatorten offizielle Meisterschaften, was aber die Snowboardergemeinschaft spaltete: Sims integrierte erstmals die Halfpipe in seinen Wettbewerb und wurde von manchen Fahrern boykottiert, da sie Freestyle nicht als Snowboarddisziplin akzeptierten.
 
Die erste Europäische Snowboardfirma Hooger Booger entwickelte 1984 Race Boards mit asymmetrischer Taillierung, ein richtungsweisender Schritt für die Zukunft. In Stratton Mountain (USA) entwickelte man etwa zur selben Zeit die ersten speziellen Snowboard-Schuhe. Zuvor fuhr man in Moonboots oder in Wanderschuhen. Der Film Apocalypse Snow von Régis Rolland erschien im selben Jahr und dokumentierte das rasante Wachstum des Snowboardsports (bis 1986 folgten aufgrund des großen Erfolges noch zwei weitere Teile).
 
Burton und Sims produzierten ihre Boards ab 1985 serienmäßig mit P-Tex-Belag und Stahlkanten, womit die konstruktive Entwicklung des Surfboards zu Ende ging. Sims stellte das erste Promodell vor, das den Namen von Terry Kidwell trug und im Freestyle-Bereich erstaunliche Akzente setzte. Das Brett war auf beiden Seiten gleich abgerundet und hatte zwei gleich stark aufgebogene Enden. Im selben Jahr wurde im Schnalstal (Südtirol) erstmals ein Wettbewerb auf europäischem Boden durchgeführt. 1985 war auch das Geburtsjahr der Softboots – spezieller Schuhe, welche den Bedürfnissen und Belastungen eines Snowboarders angepasst waren. In Soda Springs fand der erste Halfpipe-Wettbewerb statt. Freestyle wurde zum großen Thema des Snowboardens, insbesondere für Skateboarder. Die ersten, die in diesem Sport Geld verdienten, waren José Fernandes, Peter Bauer, Petra Müssig, Jean Nerva, Craig Kelly und Burt Lamar.
 
Gegen 1986 schafften es auch europäische Hersteller wie Fuzzy Garhammer und Hooger Booger, den bis dahin bestehenden Rückstand in Technik und Entwicklung aufzuholen. Ab 1986 beginnen österreichische Snowboardhersteller mit einer industriellen Produktion.
 
 
 
 
Chuck Barfoot
Tom Sims
 
 
 
Erstabfahrt vom Großglockner
 
Am 6. Juli 1986 brachte die österreichische Tageszeitung Kurier eine Reportage über die erstmalige Abfahrt von „Schneesurfern“ vom Großglockner mit Snowboards und Swingbos:[2]
 
    „Nur der Glockner blieb eiskalt: Eine Handvoll kühner Burschen und eine Frau forderten den höchsten Berg Österreichs mit Surfbrettern. Aus Spaß und um die Grenzen der neuen Wintersportgeräte abzustecken […]
    Zum ersten Mal graben sich Spuren von Swingbos (zwei kurze Skier, die mit einer beweglichen Steuerplatte verbunden sind), Snowboards (Surfbrettln mit Bindung) und Mono-Skier in die Gletscherflanken des Glockners.“
 
– Karl-Heinz Jeller: Kurier, Juli 1986[2]
 
Die erwähnte Frau war Christine Edtbauer, die damalige vierfache österreichische Staatsmeisterin im Windsurfen. Unter den Männern waren der Kapruner „Ski Guide“ und Skischulbetreiber Eduard „Eddy“ Gruber und mit Karl-Heinz Jeller der Autor der Kurier-Reportage. Trotz einer Woche intensiven Trainings mit dem Gerät brach letzterer, angesichts der vielen Eisspalten, bereits am Fuße des Glockners frühzeitig seinen Versuch ab mit dem Swingbo abzufahren und stieg „schleunigst auf die traditioneller[en] Ski um“.
 
Zu dem Zeitpunkt waren die Snowboards in Österreich offensichtlich noch nicht auf dem Markt:
 
    „Schon kommende Wintersaison [1986/87] bringen die Kapruner Ski Guides diese ‚unheimlichen‘ Snowboards auf den Markt. ‚Den Swingbos sind sie im Tiefschnee überlegen‘, sagt Eddy Gruber, der Chef der Guides. […]
    Das Schneesurfen, so hoffen die Mannen um Gruber, wird gerade junge Wintergäste faszinieren und wieder nach Österreich holen.“
 
– Karl-Heinz Jeller: Kurier, Juli 1986[2]
 
Nach weiteren Aussagen Grubers zur damaligen Situation mit Boards auf Liften wird er zitiert mit:
 
    „Ansonsten ist er [Gruber] sicher: ‚Dieser Sport wird sich ausbreiten wie ein Seuche. Einfach deshalb, weil er Spaß macht.‘“
 
– Karl-Heinz Jeller: Kurier, Juli 1986[2]
Lindsey Jacobellis
Travis Rice
 
Aufstieg (seit 1987)
 
 
1988 fanden drei Weltmeisterschaften statt, eine in Ennsdorf (Österreich), eine in Livigno (Italien) und die dritte in Breckenridge (USA). Da das Snowboarden immer mehr Leute faszinierte und die Anzahl der Boarder sich laufend steigerte, waren die Liftbetreiber gezwungen, ihre Pisten auch für Snowboarder zu öffnen. Bei verschiedenen Wettkämpfen erhielten die Amerikaner ernsthafte Konkurrenz aus Europa. Sie hatten die Gummischlaufen, die damals als Bindungen dienten, gegen Tourenski-Bindungen getauscht und so einen Titel nach dem anderen eingefahren.
 
Urs Meier (Schweiz) und Earl Miller (USA) entwickelten 1989 Sicherheitsbindungen, welche die Verletzungsgefahr senken sollte, da der Sport nach wie vor eher unsicher war.
 
Im selben Jahr wurde die Firma DND Sportsystem Ltd in der Schweiz gegründet. Sie nahm Sims Snowboards in Lizenz und ebenso den Namen Santa Cruz, mit welchem sie unter dem Namen Santa Cruz Snowboards weltweit Snowboardartikel herstellte. DNR Sportsystem wurde innerhalb kurzer Zeit zum weltgrößten Snowboardhersteller.
 
Um die Disziplin wettkampftechnisch zu ordnen, wurde ebenfalls 1989 die International Snowboard Association (ISA) gegründet. Bereits im darauf folgenden Jahr wurde die ISA durch die International Snowboarding Federation (ISF) ersetzt, deren Aufgabe es war, die subkulturelle Mentalität des Sports aufrechtzuerhalten, Wettkampfkriterien zu entwickeln und auch ein internationales Ranking zu führen. Vor allem deshalb kam es 1994 nicht zu einer Angliederung an die Fédération Internationale de Ski (FIS), die reges Interesse an diesem Zusammenschluss zeigte, wahrscheinlich weil Snowboarden zu diesem Zeitpunkt die einzige alpine Disziplin war, die im Reglement nicht an die FIS gebunden war und sich gleichzeitig großer Beliebtheit erfreute.
 
Die Wintersportgebiete passten sich langsam den Snowboardern an und akzeptierten die neue Nutzung der Pisten. So wurden auch vermehrt Pistenfahrzeuge mit speziellen Vorrichtungen für den Bau von Halfpipes versehen. In den Sportgeschäften wurden erstmals extra Service-Maschinen für Snowboards geschaffen. Die Zulassung von Snowboarden an Olympischen Spielen wurde 1994 zum Gesprächsthema und Diskussionsgrundlage für die bevorstehenden Austragungen, jedoch auf Basis der FIS-Regeln. In Innsbruck fand im Bergisel-Stadion der erste Air-&-Style-Contest statt, an dem der Straight Jump als Freestyle-Disziplin eingeführt wurde. Der Wettbewerb sollte später zu einem der wichtigsten Ereignisse im Snowboard-Freestyle-Bereich werden.
Ein Snowboarder bei einem „Tow-In“ Straight Jump
Scott Stevens
 
Das Internationale Olympische Komitee (IOC) beschloss 1995, Snowboarden erstmals in Nagano 1998 in das Wettkampfprogramm aufzunehmen. Halfpipe und Riesenslalom waren für Snowboarder nun olympische Disziplinen. 1996 entstand neben den Disziplinen Freestyle (Halfpipe, Quarterpipe, Straight Jump etc.), Slalom und Giant-Slalom eine neue Wettkampfform, der Boardercross. Hierbei starten mehrere Boarder gleichzeitig in einen Parcours mit Sprüngen, Buckeln und Steilwandkurven.
 
Die andauernde Nachfrage von Snowboards veranlasst die Hersteller, ihre Produktion zu steigern.
 
1997 entbrannte zwischen der ISF und der FIS ein Streit. Es ging darum, dass gemäß einem Entscheid des IOC die Fahrer, die an Olympia teilnehmen wollten, sich bei FIS-Rennen qualifizieren mussten. Die meisten Fahrer der ISF bestritten nur die Mindestzahl an FIS-Rennen, um die nötigen Punkte für Olympia zu sammeln. Bei den Spielen kam es auch gleich zum ersten Skandal, als dem Kanadier Ross Rebagliati Tetrahydrocannabinol (Marihuana) in seinem Urin nachgewiesen wurde und ihm daher seine Goldmedaille vorerst entzogen wurde. Nachdem das Rauschmittel jedoch nicht auf der Liste der verbannten Doping-Substanzen war, wurde sie ihm später wieder zurückerstattet. Getrübt wurden die Austragungen auch von der Tatsache, dass der zu diesem Zeitpunkt als Favorit gewertete Athlet Terje Håkonsen sich weigerte, an den Spielen teilzunehmen, weil er sich nicht mit den Regeln des IOC einverstanden erklären konnte. In der Szene gilt er unter anderem auch wegen dieser Entscheidung als eine prägende Leitfigur. Den Halfpipe-Wettbewerb gewann der Schweizer Gian Simmen.
 
Der Hype um das Snowboarden erreichte 1999 seinen tragischen Höhepunkt, als nach dem Air-&-Style-Contest im Innsbrucker Bergiselstadion fünf Menschen nach einer Massendrängelei ihr Leben verloren. Der Austragungsort wurde daraufhin verlegt und die Veranstaltung in wesentlich kleinerem Rahmen durchgeführt. In den 1990ern war der Snowboardmarkt der am schnellsten wachsende Markt im Sportbereich, mit bis zu 68 Prozent Wachstum pro Saison. Man konnte daher in dieser Zeit eine massive Fluktuation an Herstellern beobachten, von denen sich allerdings nur wenige etablieren konnten.
 
Im Jahr 2002 musste die ISF Konkurs anmelden, Grund dafür war unter anderem sicherlich auch die FIS, die dem Verband die Arbeit auf finanzieller, wie auch politischer Basis erschwerte. Sämtliche Aufgaben, Bewerbe und Reglements werden daher von der FIS übernommen. Noch im selben Jahr wurde die World Snowboarding Federation mit neuem Kalender (von der Ticket to Ride World Snowboard Tour organisiert) ins Leben gerufen.
 
Heute ist Snowboarden ein Breitensport, der von einer kleinen „Glaubensgemeinschaft“ auf Millionen Anhänger angewachsen ist. Skigebiete haben diesen Trend schon seit einiger Zeit erkannt und investierten große Summen in die Anpassung ihrer Pisten (oder zumindest Teile davon) an die Bedürfnisse der Snowboarder. So genannte „Fun Parks“ sind mittlerweile in jedem größeren Skigebiet zu finden; sie enthalten meist Rails, Halfpipes, Quarterpipes, Ramps, Cornerjumps, Straight Jumps und ähnliches. Dadurch hat sich der Sport in seiner Professionalität entwickelt und ließ die Konkurrenz in allen seinen Disziplinen kontinuierlich wachsen.
 
Quelle: Wikipedia